Damit es die Geldbörse nicht verhagelt
(2016-07) VLV-Vorstandsdirektor Robert Sturn im Interview zu den extremen Wetter-Ereignissen der letzten Zeit
Unwetter in hiesigen Gefilden wüten häufiger und werden immer intensiver. Sachschäden bleiben dabei nicht aus. Aber was deckt eigentlich die Versicherung ab?
Vollgelaufene Keller, eingedrückte Fenster, abgedeckte Dächer, Dellen im Autodach. Naturgewalten können erhebliche Schäden anrichten. Und die Unwetter in den vergangenen Wochen haben dies zum Ausdruck gebracht. Im Verhältnis zu anderen Teilen Österreichs ist Vorarlberg bislang mit einem blauen Auge davongekommen. ,,Trotzdem häufen sich diese extremen Wetter-Ereignisse und werden sogar intensiver”, beobachtet Robert Sturn seit geraumer Zeit. Der Vorstand der Vorarlberger Landes-Versicherung (VLV) rechnet auch in den kommenden Tagen mit einem erneuten Aufruhr der Elemente. Die Vorhersagen der Meteorologen verheißen jedenfalls nicht Gutes. Die Luft ist labil und die Atmosphäre geladen.
Sturm
Möglichkeiten, derartige Schäden an Haus und Hof zu versichern, gibt es Sturn zufolge ausreichend. Die gängigste ist die Sturmversicherung. ,,Darin sind Risiken wie Sturm, Hagel, Schneedruck, Felssturz, Steinschlag und Erdrutsch abgedeckt”, zählt der Experte auf. Wann jedoch eine Versicherung tatsächlich greift, ist oft nicht auf den ersten Blick ersichtlich. So ist beispielsweise Sturm nicht gleich Sturm. Nach den Bedingungen der Versicherer ist ein Sturm eine wetterbedingte Luftbewegung. Deren Geschwindigkeit muss am Versicherungsort mehr als 60 Stundenkilometer betragen. Um solche Werte festzustellen, bedienen sich die meisten Versicherer den Aussagen von Fachleuten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). “Durch die Topografie kann es nämlich zu Sog- und Druckbereichen kommen, die stark von der Durchschnittsgeschwindigkeit abweichen”, weiß der VLV-Vorstand.
Hagelschäden
Durch die hohe Energie in der Atmosphäre kann es auch immer wieder zu Hagelbildung kommen. Für dadurch entstandene Schäden am Fahrzeug bietet allerdings ausschließlich eine Kaskoverversicherung entsprechenden Versicherungsschutz. Die Elementarkaskoversicherung ist hier ausreichend”, rät der Experte. Grundsätzlich sei es aber ratsam, das Auto in der Garage zu parken oder anderswo unterzustellen, wenn ein Hagelschauer angekündigt ist. An Haus oder Wohnung sollten sämtliche Markisen, Rollläden sowie Jalousien eingefahren werden. Denn Sturn zufolge halten Fenster deutlich mehr Druck aus. Auch wenn Eiskörner darauf prallen.
Blitzschlag
Ein direkter Blitzschlag wird üblicherweise von der Feuerversicherung abgedeckt. Anders hingegen bei indirekten Schäden. Wenn also der Blitz in eine Leitung einschlägt und dadurch ein technisches Gerät beschädigt. Nur in manchen Fällen ist dieses Risiko in der Haushaltsversicherung eingeschlossen. “Die billigste Haushaltsversicherung ist manchmal auch die teuerste. Vor allem dann, wenn solche Fälle nicht eingeschlossen sind”, warnt Sturn und rät dazu, die bestehende Polizze zu überprüfen. Auch gibt er den Tipp, das kaputte Gerät bei einem vermuteten Blitzschaden nicht zu entsorgen, sondern unbedingt aufzubewahren. Zumindest bis zur Besichtigung durch einen Sachverständigen. Die Verantwortlichen können dem Experten zufolge genau nachvollziehen, ob es sich tatsächlich um Blitzschlag handelt oder lediglich das Gerät kaputt ist und es zu einem Kurzschluss gekommen ist. “Wir verfügen über ein sogenanntes Blitzortungssystem. Damit lässt sich das Wetter-Phänomen genau feststellen. Bis auf den Straßenzug genau”, erklärt Sturn. Der Experte rät auch hier zur Prävention. Also grundsätzlich alle technische Geräte vom Stromkreis zu trennen. Auch aus sicherheitstechnischen Gründen.
Erdrutsch
Bei anderen Vorkommnissen wie Hagelschauern oder Erdrutschen stelle sich weniger die Frage, ob es tatsächlich zu diesen Ereignissen gekommen ist. ,,Diese werden meist medial verbreitet”, erklärt der Fachmann. Wichtig sei wiederum, den Erdrutsch klar von der Mure zu unterscheiden. Letztere wird nämlich von der Standardversicherung nicht abgedeckt. Auch hier ist also die Definition ausschlaggebend. Danach ist der Erdrutsch eine naturbedingte Abwärtsbewegung von Boden- oder Gesteinsmassen auf einer unter der Oberfläche liegenden Gleitbahn. “Bei der Mure ist der Wasseranteil deutlich höher. Unter Umständen handelt es sich dann also um einen Hochwasserschaden”, weiß Sturn. Dieser ist nicht von der Versicherung abgedeckt. Dennoch gibt es eine so genannte erweiterte Naturgefahrendeckung. Quasi eine Aufstockung der Standardversion. Dabei sind dann – je nach Ausprägung – Schäden durch Schneelawinen, Vemurung, Hochwasser, Rückstau, Erdbeben sowie Niederschlags- und Schmelzwasser berücksichtigt. Je nachdem sogar Beeinträchtigungen durch das Ansteigen des Grundwasserspiegels. “Oft sind aber deutlich geringere Summen versichert. 5000 bis 10.000 Euro”, gibt der VLV-Experte zu bedenken. Zwar lassen sich im Einzelfall auch höhere Summen veranschlagen. Das hänge aber von der Risikolage vor Ort ab.
Naturkatastrophen
Nach Meinung von Sturn existiert kein befriedigender Versicherungsschutz bei Naturkatastrophen wie etwa Hochwasser. Häuser in solchen Risikozonen lassen sich kaum oder nur teuer versichern. Warum es dazu kommt? „Eine solche Polizze ist nur für jene attraktiv, die tatsächlich in einem hochwassergefährdeten Gebiet leben. Es zahlt also ein zu kleiner Teil der Bevölkerung in den Topf ein.” Eine Refinanzierung ist quasi nicht möglich.
Die Lösung dafür sieht Sturn in Gesamtösterreich. ,,Es existiert bereits ein Modell, welches in der Schublade der Regierungsmitglieder liegt”, sagt er. Sturn hält es für sinnvoll, einen Rechtsanspruch für Bürger zu schaffen. Denn bisher greift im Fall von Hochwasserschäden der Katastrophenschutz. „Betroffene sind also oftmals auf den guten Willen der Politiker angewiesen”, gibt der VLV-Vorstand zu bedenken.